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Warten ist wie eine imaginäre Deadline

Nanna Neudeck

Bühnenbildnerin


Wie bist du zu unserem Treffpunkt gekommen?

Mit dem Auto. Meistens fahr ich mit dem Moped und wenn das Moped nicht anspringt, dann mit dem Fahrrad und wenn das Fahrrad nicht fahren will, dann mit dem Skateboard und sehr wenig mit den Öffis. Und manchmal mit dem Auto.

Warum bist du wenig mit den Öffis unterwegs?
Weil ich ungeduldig bin. Am liebsten reise ich mit dem Nachtzug. Ich habe das Gefühl, wenn man Zug fährt, dann merkt man nicht, dass man das Land wechselt… Mit dem Zug kommt man in der Nacht im Schlaf dort hin, wo man hin möchte. Der große Vorteil am Zugfahren ist auch, dass man endlos viel Gewicht und ziemlich große Volumina mitnehmen kann…ich habe ja fast immer diese riesigen Ausstattungsteile für die Bühne mit dabei.

Was machst du, wenn du warten musst?
Ich kann sehr gut mit dem Laptop an Bahnhöfen oder Flughäfen arbeiten, eigentlich besser als überall anders. Ich glaube, weil es eine konzentrierte, beschränkte Zeit ist. Man ist noch nicht weg und auch noch nicht angekommen. Es ist wie eine imaginäre Deadline. Ich kann auch besser arbeiten, wenn Menschen um mich herum sind, und meine Umgebung von einem leichten Geräuschpegel erfüllt ist.  Ich bin immer beruhigt, wenn ich Steckdosen und ein Cafe sehe. Leider ist beides rar.

Wie sieht deine ideale Station aus?
Das wichtigste für mich sind viele Ausgänge. Es ist schrecklich anzukommen und durch einen ewig langen Gangschlauch gehen zu müssen bis man zum Hauptausgang gelangt. Ich will leicht ins Freie kommen können. Unterführungen müssen hell, gut überblickbar und geputzt sein.
Ich mag die großen Anzeigetafeln ganz gerne, sie helfen, sich zurecht zu finden. Große Gleisbeschriftungen sind auch wichtig und Rolltreppen, die möglichst hinauf und hinunter fahren und nicht nur in eine Richtung. Lifte aus Glas, um einen guten Ausblick zu haben.
Sitzbereiche haben unbedingt Lehnen und keine Trennungen. Sich bequem niederlegen zu können, wäre angenehm, es hat das transitäre Schlafen dieser Orte seinen eigenen Reiz! Ich glaube aber, dass das Einrichten von  Schlafplätzen nicht funktionieren würde, weil es nach kurzer Zeit graußlich wäre.
Auf keinen Fall grobe Pflasterungen oder unebene Oberflächen auf den Bahnsteigen, wo sich Trolleys schlecht ziehen lassen und es arg laut wird dabei. Skateboardverleihe fände ich gut, gut sind auch Longboards oder Trolleys, die man nicht schieben muss, sondern mit denen man fahren kann oder Micro-Scooter  mit Gabelstapler vorne. Ein großer Wunsch wären wirklich gute Buchhandlungen und nicht nur so Rosamunde Pilcher-Händler und an jeder Station eine Saftbar, frische Fruchtsäfte finde ich sehr gut.

Hast du schon mal auf der Bühne eine Wartesituation an einer Station dargestellt?
Nein. Schade! Warten würde ich wohl eher als physisches Stehenbleiben oder als physische Verankerung sehen. Beim Begriff Warten auf der Bühne, fällt mir als erstes Wind ein, vielleicht, weil es oft zieht an Stationen und Bahnhöfen. Wind und bewegte Luft sind gut. Hätte ich eine Drehbühne könnte ich mir spontan vorstellen, die Menschen darauf zu drehen, endlos. Ich glaube, dass das Warten mehr mit Bewegung zu tun hat, als mit einem Feststecken. Im Warten ist man klarer, fokusierter und bewegter, vielleicht ist man auch schon dort, wo man erst ankommen wird.

Interessiert dich Kunst an der Station?
Interessiert mich nicht wirklich in diesem Zusammenhang. Obwohl Kunst-Objekte prägend für einen Ort sind- die
Nikki de Saint-Phalle Figuren am Bahnhof in Zürich, kennt wahrscheinlich jeder, der dort schon war. In Skopje gab es vor vielen Jahren ein schweres Erdbeben. Der Bahnhof von Skopje hat eine riesige Uhr und sie ist unbeschadet geblieben, nur stehen geblieben ist sie. Rundum wurde vieles zerstört, nur die Uhr eben nicht und sie ist zu einer Art Wahrzeichen geworden. Uhren im öffentlichen Raum finde ich immer spannend, auch die Tatsache, dass der Bahnverkehr ein Motor zur Zeiterziehung war, denn die Fahrpläne mussten eingehalten werden. Es war die Einführung der Zeit, wie wir sie heute wahrnehmen. Insofern sind Uhren ein absolutes Bahnhofssymbol.

 

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