new environments of mobility

Von der Vision zur Realität

Oona Horx-Strathern

Trendforscherin, Rednerin & Autorin

www.strathern.eu/de/

(Anmerkung: Das Interview findet im privaten Haus von
Frau Strathern-Horx, über dessen Entstehung sie das Buch „Wir bauen ein Zukunftshaus“ geschrieben hat, statt.)

Wie sind Sie zu unserem Treffpunkt gekommen?
Mit dem E-Car, seitdem wir in unser „Future House“ eingezogen sind, gibt es nur mehr E-Mobility. Für das Fahrrad ist der Weg hierher zu steil und zu Fuß, wenn man etwas zu tragen hat, auch. Wir haben ein E-Auto und ein zusätzliches E-Moped für unseren Sohn.

Und beim Haus gibt es eine Ladestation?
Genau, wir haben eine kleine Ladestation, ein C2-Typ, mit normaler Steckdose und kurzer Ladezeit. Wir laden direkt über unsere
Photovoltaikanlage.

Wie stellen sie sich ihre Mobilität in 20 Jahren vor?
Der Phantasie über die Zukunft der Mobilität freien Lauf zu lassen, ist immer ein wenig gefährlich, weil sie oft zum Bild von fliegenden Autos führt. Ich halte es für einen typischen „Future Flop“. Ich bin der
Überzeugung, dass unsere Alltagsmobilität am Boden bleiben wird. Meine Hoffnung ist viel mehr, dass sich Elektromobilität und Sharing sehr schnell verbreiten, bei den jungen Menschen ist dieses Bewusstsein schon angekommen und Normalität.
Meine Wünsche an die Zukunft der Mobilität sind mehr Tankstellen mit Ladestationen, mehr E-Autos und E-Taxis.

Fahren sie auch mit dem Zug?
Ja. An Bahnhöfen interessieren mich besonders die „Übergänge“ – welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich aus dem Zug ausgestiegen bin? Ich schaue mir überall die Sharing Angebote an – ankommen und
weiterfahren muss ganz einfach sein.

Was ist ihnen am Bahnhof noch wichtig?
Ich mag diese Zwischen-Zeit, die Wartezeit, bevor man abreist, sehr gerne. Das ist so wie ein Moment der Orientierung. An den
Warte-Orten, den Third Places können die Menschen im besten Fall ihre Ungeduld überwinden und wieder zum Nachdenken kommen. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft sehr Technologie getrieben ist und wir alle viel mehr an sozialer Kommunikation benötigen. Ich halte die
Qualität dieser Orte daher für sehr bedeutend, sie sollen offen, einladend und relaxing gestaltet sein. An das Kommunikationsdesign, die Wegeleitsysteme und generell die Orientierungsstandards an Bahnhöfen und Flughäfen muss man sehr hohe Ansprüche stellen. Ich glaube, dass eine Reduzierung der Messages generell wichtig wäre. Um an die Informationen zu gelangen, die essentiell sind, um herauszufinden, in welche Richtung man weiter gehen soll, müssen die Menschen zuerst die Werbung ausblenden. Das sind komplexe Vorgänge, welche die Reisenden oft unter Zeitdruck bewältigen müssen, ich glaube, dass die Anstrengung komplett unterschätzt wird.

Was ist notwendig, um ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln?
Das Licht, Blickachsen und keine Beengtheit. Dunkle Abgänge zu
Tiefgaragen sind grauenhaft. Ich parke dort nicht mehr abends und suche mir einen Parkplatz in einer Kurzparkzone. Für das Gefühl der Sicherheit spielt die klare Orientierung und die Lesbarkeit eines Raumes, eine große Rolle – you just go in and out. Und mir persönlich fehlen die Menschen…ich verstehe schon, dass es unökonomisch ist, dass immer Personal vor Ort ist, aber es vermittelt eben sehr direkt ein Gefühl der Sicherheit. Durch das Fehlen persönlicher Begegnungen, verändert sich auch die Kommunikation.

Das erinnert mich an einen Satz von ihnen, dass wir nicht über noch mehr technologische Ausstattung sprechen sollten, sondern mehr über soziale Intelligenz.
Und Kommunikation.

Wie ließe sich Mobilität nachhaltiger gestalten?
Dazu fällt mir Jamie Lerner, Architekt und ehemaliger Bürgermeister von Curibita in Brasilien ein. Er hat das Bussystem der Stadt Curibita radikal modernisiert und zu einem leistungsstarken öffentlichen Verkehrsmittel, mit barrierefreien Busstationen und eigenen Busspuren umgekrempelt. Heute sind 2,5 Millionen Einwohner mit dem Bus
unterwegs. Mit den von Lerner favorisierten „Urban Acupuncture“
Projekten, kleinen, rasch umgesetzten Interventionen, wurde enorm viel bewirkt und u.a. Recycling mit urbaner Mobilität verknüpft. In den peripheren, von ärmeren Familien bewohnten Bereichen der Stadt, wo es ein großes Müllproblem gab und viele Menschen sich den Token für den Bus nicht leisten konnten, wurden Recyclingstationen eingerichtet und die Abgabe von Müll mit Bustokens entlohnt. Das bedeutet effektive Nachhaltigkeit, die motiviert und für die Menschen sofort einen Benefit hat. Ich kann mir das System durchaus für einige europäische Großstädte vorstellen. Die Recyclingboxen ließen sich direkt an die Verkehrsstationen andocken und wenn jemand kein Geld für das Ticket hat, bringt er seine Plastikflaschen. Ein weiteres Modul an der Station, an der man täglich vorbeikommt, könnten persönliche Postboxen sein. Das wäre enorm zeitsparend, am Weg heim, nehme ich noch meine Pakete mit.

Hat eine Verkehrsstation auch eine soziale Funktion?
Es gibt ein sehr schönes Beispiel in Schweden, in einer kleinen Stadt
namens Värnamo, das ich mir gut für Stationen vorstellen kann. Dort wurde ein drei auf drei Meter großes Quadrat auf einem öffentlichen Platz markiert und ein Hinweisschild angebracht, das darüber
informiert, dass jeder Mensch, der sich in das markierte Quadrat begibt, Hilfe benötigt. Die Menschen, die vorbeigehen, wissen sofort, dass
etwas zu tun ist und sie nehmen aktiv das Gespräch auf. Es ist nicht der Hilfesuchende, der den ersten Schritt machen muss, die Rollen werden einfach umgekehrt. Das können einfache Anliegen sein, wie zu schwere Einkaufstaschen, aber auch kompliziertere. Zuerst haben die Menschen den Sinn nicht verstanden, aber mit der Zeit wurde es angenommen und heute versucht man einander täglich zu helfen. Es funktioniert. Es ist pure Kommunikation und Mindfulness.

 

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